Borkenkäfer im Nationalpark Bayerischer Wald

Lusengipfel, im Hintergrund Nationalpark Sumava

Sturmschäden durch Tief "Meikel" im Juli 2011
1983 wurde vom Bayerischen Landwirtschafts- und Forstminister Hans Eisenmann beschlossen, die durch einen Gewittersturm umgefallenen Fichten in der Naturzone liegenzulassen – ganz nach dem Prinzip Schutz der natürlichen Dynamik. Auch die in den Folgejahren sich ausbreitenden Fichtenborkenkäfer werden in den Naturzonen nicht bekämpft. Nur in den Randzonen, zu den an den Nationalpark angrenzenden Wäldern, werden vom Borkenkäfer angefallene Fichten entnommen.
In den Hochlagen – in denen Berg-Fichtenwälder dominierten - breiteten sich die Fichtenborkenkäfer schnell aus. So starben bis Ende 2011 etwa auf 7.558 ha die alten Fichtenbestände großflächig ab, das entspricht etwa 31% der aktuellen Nationalparkfläche. Davon wurden 1.805 ha im Zuge der Borkenkäferbekämpfung und Windwurfaufarbeitung geräumt - davon der Großteil im Erweiterungsgebiet Falkenstein-Rachel (1.131 ha). (Quelle:
Hochlageninventur 2006-2011 )
Das konsequente Belassen der toten Fichten führte aber auch dazu, dass sich der Wald wieder natürlich verjüngen konnte und bei der letzten Hochlageninventur 2005 konnten 4.502 junge Bäumchen (> 20 cm) pro Hektar gezählt werden (davon 89% Fichte, 3% Buche, 7% Vogelbeere und 1% andere) – mehr als im konventionellen Altersklassenwald üblicherweise gepflanzt werden. Das belassene Totholz ist nicht nur für die Vögel, Käfer und Pilze eine Bereicherung: auch schützt es die Verjüngung vor Wildverbiss, Austrocknung, Frost, Erosion und Schneeschub. Das vermodernde Holz bietet die besten Voraussetzungen für das Keimen der nächsten Waldgeneration. Vögel und andere Tiere säen in die ehemaligen Fichtenflächen Laubbäume wie Vogelbeeren und Buchen und reichern die Verjüngung an.
Nationalpark Bayerischer Wald, Lusen, Sommerweg Blick N/O Steinfleckberg 1.341m
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15.10.2005 (Herbst) | 09.08.2008 (Sommer) | |
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12.06.2010 (Sommer) | 03.10.2011 (Herbst) |
Borkenkäferbekämpfung im Erweiterungsteil Nationalpark Bayerischer Wald

Kein Thema wird zwischen Befürwortern der Nationalparkidee und ihren Gegnern so kontrovers und emotional diskutiertwie die Bekämpfung der Borkenkäfer. Nachdem der Nationalpark Bayerischer Wald 1997 im Norden erweitert wurde, stieg die Befürchtung, dass sich der Borkenkäfer wie im Rachel-Lusen-Gebiet (Altteil) auch über das Erweiterungsgebiet ausbreiten würde. Die Angst vor Bildern mit toten Bäumen führte aus politischen Akzeptanzgründen zu einer geteilten Strategie. Im alten Teil wird Natur Natur sein gelassen und der Borkenkäfer nur in den Randzonen zu benachbarten Wirtschaftsforsten bekämpft, im Erweiterungsteil erfolgt dagegen fast flächig die Fällung und Aufarbeitung der geschädigten Fichten. Die Naturzone sollte nur nach und nach erweitert werden. Die Vergrößerung der Naturzone scheiterte allerdings regelmäßig am Veto der Anliegergemeinden.
2007 hatte der Orkan Kyrill auch im Erweiterungsgebiet große Windwürfe erzeugt. Es wurde entschieden am Lackenberg einen kleinen Windwurf zu belassen. Von der Bayerischen Regierung wurde mit den Anliegergemeinden ein Kompromiss geschlossen. Auf etwa 6.000 ha Entwicklungszone im Erweiterungsteil rund um den Falkenstein muss Borkenkäferbekämpfung erfolgen. Andererseits werden pro Jahr 310 ha in die Naturzone überführt. Diese neue Nationalparkverordnung führt zwar dazu, dass ab dem Jahr 2027 auf 75 Prozent der Erweiterungsfläche keine Borkenkäferbekämpfung mehr stattfindet. Doch bis dahin werden die Kahlschläge der Borkenkäferbekämpfungsmaßnahmen auf großen Flächen den Wald bereits nachhaltig geschädigt haben.

Eine effektive Borkenkäferbekämpfung bedeutet zügige Baumentnahme und ist auf größerer Fläche gleichbedeutend mit einem Kahlschlag. Kahlschläge sind für das Ökosystem sehr negativ und auch für den Wasserhaushalt eine extreme Belastung. Eine natürliche Wiederbewaldung findet auf Kahlflächen außerdem langsamer statt, als wenn ein Fichtenbestand abstirbt und die Bäume auf der Fläche belassen würden. In den Jahren 2008 bis 2010 wurde der Borkenkäfer im Nationalpark durch große Kahlschläge aufgehalten, und damit große Schäden wie z.B. Bodenschäden durch schwere Erntemaschinen hinterlassen.
Im Jahr 2010 wurden in den Randzonen und in der Entwicklungszone im Nationalpark Bayerischer Wald 141.900 Festmeter (= forstliche m³) Fichten eingeschlagen. Nur auf einigen wenigen sensiblen Flächen wurden die gefällten Bäume mit der Hand entrindet und das Totholz im Bestand belassen (2010: 16.000 fm entsprechen etwa 11 % des Einschlages).
Der Gewittersturm des Tiefs Meikel fegte am 13. Juli 2011 mit über 120 km/h über den Nationalpark. Ganze Fichtenbestände wurden niedergeworfen. Besonders betroffen war das Erweiterungsgebiet. Die erste Einschätzung ergab, dass mehr als 70.000 fm Windwurf in den Rand- und Entwicklungszonen aufzuarbeiten wären. Der riesige Windwurf stellt jetzt die aktuelle Nationalparkverordnung in der die konsequente Borkenkäferbekämpfung und somit auch die Windwurfaufarbeitung in den Entwicklungszonen vorgeschrieben ist, auf die Belastungsprobe – früher als so mancher gedacht hatte. Werden die geworfenen Fichten nicht rasch entfernt bzw. entrindet, befallen die Borkenkäfer auf großer Fläche schnell die übrigen Fichtenbestände. Wird aufgearbeitet – was eine logistische und ökonomische Mamutaufgabe wäre - entstehen durch die Entnahme der enormen Holzmassen noch viel größere Kahlflächen als bislang schon. Hierzu eingesetzte schwere Erntemaschinen würden die sensiblen Waldböden ausserdem massiv schädigen. Von diesen 70.000 fm Windwurf liegen 20.000 fm in einem 100 ha großen unzugänglichen Moorgebiet. Dieses wurde liegengelassen und in die Naturzone überführt. Die 100 ha werden auf die jährliche Naturzonenerweiterung angerechnet. Die restlichen 50.000 fm wurden aufgearbeitet.
Die Jahre 2012 und 2013 waren vom Wetter nicht sehr borkenkäferfreundlich. Auch hier wurden konsequent die Borkenkäferbäume entnommen, aber die Dimension der Ausbreitung wurde durch die nassen Sommer verlangsamt.
Wie sich die weitere Ausbreitungssituation in den nächsten Jahren entwickeln wird, hängt auch vom Wetter ab. Es ist aber davon auszugehen, dass der Borkenkäfer einen Großteil der Fichtenbestände im Erweiterungsgebiet befällt. Nur der konsequente Schutz der natürlichen Dynamik ermöglicht mittel- bis langfristig wieder einen „schönen“ Wald.
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Borkenkäferbekämpfung am Lackenberg, September 2009 | ||
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Borkenkäferbekämpfung am Lackenberg, September 2009 | Fahrgleise der Rückezüge und Harvester am Lackenberg, 2009 |
Lesen Sie mehr:
Nationalpark unter Druck von Borkenkäfern (PDF Stand 1/2012): NLP Bayerischer Wald & Šumava , NLP Bayerischer Wald